In der Podcast-Episode #019 im Büroathleten Toolkit Podcast geht es darum, Homeoffice als Chance für Bewegung wahrzunehmen. Zuhause ist es doch irgendwie nochmal anders als im großen Büro, wo jeder einen sehen kann. Der Vergleich zum Auto, das wir doch gerne wie eine Art geschlossenen und sicheren Raum betrachten (wir singen fröhlich, laut in schrillen Tönen und gehen fest davon aus, dass uns niemand sehen kann) liegt da sehr nahe. Während der Arbeit im Homeoffice also müssten wir uns im Grunde nicht sorgen, ob gerade jemand zusieht, wenn wir ein paar Bewegungsübungen durchführen.
Als kurze Anregung, worin jetzt genau die Chance im Homeoffice für mehr Bewegung besteht, habe ich vor wenigen Tagen ein Video veröffentlicht, in dem ich einige Sitzpositionen auf dem Teppichboden vor dem Laptop demonstriere. Das Video läuft im Zeitraffer und dauert nur 38 Sekunden. Schauen Sie es sich auch jetzt hier gerne an.
In der Folge beschreibe ich kurz zu jeder Position die wichtigsten Aspekte sowie deren Nutzen und gebe auch Empfehlungen für die Umsetzung. Mit Sicherheit sind diese verschiedenen Positionen nicht auf Anhieb so leicht für jeden umsetzbar. Vielleicht geraten auch Sie bei einer bestimmten Übung sehr schnell an Ihre Grenzen. Die Arbeit auf dem Boden ist anfangs durchaus sehr herausfordernd, jedoch werden Sie mit der Zeit merken, dass diese Art zu „sitzen“ Ihnen sehr gut tut und Sie allgemein einfach aktiver arbeiten.
Z-Sitz
Der Z-Sitz ist insbesondere für den Anfang die wohl angenehmste und auch einfachste Form, um auf dem weichen Teppichboden zu sitzen. An dieser Stelle sei gesagt, dass natürlich auch die bequeme Yoga-Matte sehr gut dient, um den Arbeitsplatz im Wohnzimmer auf dem chicen Parkettboden zu errichten. Gleich am Anfang werden Sie ggf. merken, dass Ihnen diese Sitzposition zu einer Seite leichter fallen wird und dass es auf der anderen Seite etwas hakt. Bevor Sie jetzt motiviert die schwächere Seite von Beginn an fordern, trainieren Sie zunächst entspannt die etwas bessere Seite. Mit der Zeit gewöhnen Sie sich an diese Haltung und Sie können komfortabler auf die andere Seite wechseln.
Das Ziel ist es natürlich, langfristig solche Haltungen ausgeglichen auf beiden Seiten einzunehmen. Für den Anfang ist der Z-Sitz optimal, um die Hüften aktiv in die Haltung und Bewegung während der Arbeit mit einzubeziehen. Anstatt inaktiv im Bürostuhl zu versinken sitzen Sie aktiver und bewegen die Hüften immer wieder im Wechsel nach innen und außen (Innen- und Außenrotation). Insbesondere die Innenrotation ist bedingt durch Inaktivität durch das viele Sitzen häufig sehr eingeschränkt. Genau hier wirkt der Z-Sitz hervorragend! Der untere Rücken profitiert übrigens bei jedem Seitenwechsel durch die kontrollierte Bewegung. Darüber hinaus richten Sie bewusst die Wirbelsäule in eine neutrale Stellung aus, was enorme Vorteile für die allgemeine Körperhaltung hat.
Tiefe Hocke unilateral
Die folgenden Positionen werden zugegebenermaßen anspruchsvoll. Die einseitige tiefe Hocke ist dabei noch ein günstiger Zwischenschritt, um mehr Bewegung in den Arbeitsprozess zu integrieren. Auf einem aufgestellten Fuß hockt man quasi so tief es möglich ist über dem Boden. Der freie Unterschenkel kniet und stützt die Hocke, während der Rücken möglichst aufrecht ist. Hier gilt, dass der Wechsel von links nach rechts ansteht, sobald Sie merken, dass die Haltung Sie fordert. Grundsätzlich geht es nicht darum, sich in einer Haltung lange zu quälen. NEIN! Vielmehr ist es das Ziel, dass unterschiedliche Haltungen und der stetige Wechsel in die nächste Position zu einer bewegten Arbeit führen.
Fersensitz
Achtung 🙂 Jetzt wird es vielleicht brenzlig und der ein oder andere erleidet im Fersensitz nach kurzer Zeit schon einen Krampf im Fuß. Das gilt es natürlich zu vermeiden, sodass der Fersensitz für die meisten anfangs keine wirkliche Alternative darstellt, um zu arbeiten. Probieren Sie diese Position gerne einmal aus. Nach wenigen Sekunden werden die Oberschenkel brennen, die Sprunggelenke und Füße machen sich bemerkbar… Jetzt heißt es nicht etwa durchbeißen, sondern lösen Sie den Fersensitz wieder und wechseln Sie z.B. in den Z-Sitz zu Ihrer Schokoladenseite oder gönnen Sie Ihren Füßen Erholung im Zehensitz.
Zehensitz
Hierbei werden die Zehen mal wieder frei. Tatsächlich ist es recht angenehm, die Fußsohle etwas zu stretchen und Sie werden spüren, dass die Zehen lange nicht mehr so bewusst und intensiv bewegt wurden. das Prinzip ´Use it or loose it´ ist Ihnen sicherlich bekannt. Genauso verläuft es auch mit unseren Zehengelenken und der Fußmuskulatur. Allzu bequeme Sneaker mit ausgeprägter Dämpfung, Anzugsschuhe für den Herren und Absatzschuhe für die Dame tragen langfristig dazu bei, dass die Fußmuskulatur wenig bis gar keine Arbeit mehr im Alltag verrichten muss. Das führt dazu, dass wir die Muskeln kaum noch aktiv ansteuern können. Hierzu gibt es einen wunderbaren Test, den Sie (im Homeoffice) gerne mal durchführen können: Barfuß heben Sie aktiv nur die Großzehe nach oben, während die anderen vier Zehen unten fest in den Boden greifen. Anschließend senken Sie die Großzehe zum Boden und heben die vier keinen Zehen nach Oben. Und? Funktioniert die bewusste Ansteuerung der Zehen reibungslos oder fällt es Ihnen schwer, die einzelnen Gelenke bewusst und isoliert zu bewegen?
Nutzen Sie den Zehensitz zwischendurch für wenige Sekunden, um einen Haltungswechsel durchzuführen und aktivieren so immer wieder Ihre Fußmuskulatur und die keinen Zehengelenke.
Tiefe Hocke parallel
Die tiefe Hocke ist bereits eine Übung für Fortgeschrittene! Und längst nicht jeder Fortgeschrittene kann einfach so und entspannt in dieser Haltung arbeiten! Wenn ich offen sage, dass ich tagsüber in Summer etwa 30 Minuten in der tiefen Hocke im Homeoffice arbeite, dann tut einigen schon etwas weh, bloß weil sie sich das vorstellen 🙂 Also CAVE! Hier ist Vorsicht geboten. Ich ermutige Sie gerne dazu, die für Sie tiefste Hocke mal auszuprobieren, doch Sie müssen jetzt nicht parallel noch arbeiten!
Das wird jetzt kein ausführlicher Bericht über die Tiefe Hocke als „Königsdisziplin“, wie man es inzwischen überall lesen kann. Man kann sogar ganze Tagesworkshops zur Hocke und Kniebeuge besuchen und m.M. nach ist dies auch absolut gerechtfertigt. Die tiefe Hocke zu beherrschen und im Krafttraining eine präzise Technik der Kniebeuge anzuwenden hat einen Riesenmehrwert für die Bewegungsqualität. Im Gespräch mit Mathias Richter (Podcast #014 Mobility & Krafttraining: Interview mit Mathias) sprechen wir auch über einige Mythen, die es leider immer noch rund um das Thema Kniebeuge gibt. Es lohnt sich die Folge anzuhören.
Nutzen Sie Pausen für kurze Sequenzen in der tiefen Hocke, ohne dabei am Rechner produktiv sein zu wollen. Die tiefe Hocke wird Ihnen körperlich einiges abverlangen und es macht Sinn, sich dabei vollständig auf die Übung zu konzentrieren.
Schneidersitz
Haben Sie schon einmal im Schneidersitz am Laptop gearbeitet oder am Couchtisch im Wohnzimmer gegessen? Versuchen Sie es doch gleich mal. Der Schneidersitz ist eine tolle Variante, um gleich mit der Arbeit am Boden durchzustarten. Auch für den Schneidersitz gilt wieder: Nicht zu lange! Selbst wenn Ihnen diese Haltung schon recht gut gelingt, sollten Sie darauf achten, dass Sie auch hier regelmäßig die Haltung wechseln. Wenn Sie einmal mehrere Minuten im Schneidesitz verharren und konzentriert arbeiten, wird es Ihnen ggf. schwerfallen, aus der Haltung herauszukommen.
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Abschließend empfehle ich Ihnen, zunächst eher einfache Routinearbeiten auf diese bewegte Art durchzuführen und mit kürzeren Zeitintervallen zu starten. Sie werden in der Folge schnell merken, dass Sie länger in unterschiedlichen Haltungen arbeiten können und wollen 🙂 Sie arbeiten deutlich aktiver in guten Körperhaltungen und verfallen nicht in eine Lethargie, wie es durchaus passieren kann, wenn man erstmal bequem in den Bürostuhl versinkt.
Ich wünsche Ihnen einen bewegten Tag im Homeoffice!
Bewegte Grüße,